„Ich hätte nicht gedacht, dass so viele mein Buch kaufen“

Ein Buch über das eigene Leben – davon träumen viele. Und doch wird dieser Wunsch eher selten Realität. Ganz anders dagegen bei unserem Beschäftigten Pascal Schotten (56 Jahre), der sich ein Herz genommen  und gemeinsam mit der Heilpädagogin Betty Wagner sein Leben, seine Gedanken und Gefühle auf Papier gebracht hat. Das Besondere an Pascal ist, dass er mit einer infantilen Cerebralparese, einer spastischen Lähmung, auf die Welt kam und daher auf den Rollstuhl und eine ganzheitliche Betreuung angewiesen ist.

Ab dem Jahr 1987 hat Pascal Schotten zuerst in der Werkstatt Weinheim gearbeitet und wechselte dann 2011 ins Tagesförderzentrum Vogelstang, wo er seitdem die Mitarbeitenden auf Trab hält – immer mit viel Witz und einem strahlenden Lächeln  auf den Lippen. Hier hat er seinen Platz gefunden und  erzählt frei heraus, „dass ihm alles im Tfz gefällt“. Wer kann das schon von seinem Arbeitsplatz behaupten?

Doch Pascal Schotten hat immer wieder Hürden und Schwierigkeiten in seinem Leben erlebt, auch wenn er dank seiner positiven Art einen großen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut hat, mit denen er viel unternimmt. Da wäre zum Beispiel sein langjähriger Freund Walter Metz, der 1984 Zivildienstleistender war und seitdem Pascal im Leben begleitet. Oder auch sein Freund Oliver A. von der Lebenshilfe, der ihm seinen ersten Stadionbesuch mit 18 Jahren ermöglicht hat. Denn Pascal Schotten ist ein riesiger SV Waldhof Mannheim-Fan,  wie das Tattoo auf seinem Arm beweist. Dank dieser Unterstützung seiner Freunde genießt Pascal Schotten sein Leben und die Liebe zum Fußball – die Siege des SV Waldhof werden gerne auch mal mit ein paar Bier in der Stammkneipe begossen. Da können es auch mal ein paar mehr werden!

„Ich will, dass die Menschen sehen, wer ich bin“ – ein zentraler Satz des Buchprojektes, welches er mit Betty Wagner zusammen umgesetzt hat. Betty Wagner war als FSJlerin im Tfz Vogelstang tätig und der Funke sprang gleich bei beiden über. Gemeinsam entstand die Idee einer Biographie, die das Leben und auch ganz viel von der Gedankenwelt von Pascal zeigen sollte. „Atmosphäre der Akzeptanz – Freundschaft, Gleichheit, Akzeptanz“, so lautet der Titel des Buches, welches als book-on-demand hier verfügbar ist. Die beiden haben während der Corona-Pandemie in unzähligen Telefonaten und Skype-Sitzungen den Text erstellt, verfeinert und zu einem besonderen Werk vervollständigt. Auf humorvolle und persönliche Art beschreibt Pascal Schotten sein Leben, seine Ängste, seine Sorgen und Barrieren, aber auch die vielen positiven Erlebnisse und Begegnungen. Daneben gibt es Textstellen zu unterschiedlichen Themen, wie tiergestützter Pädagogik, Inklusion  sowie Gastbeiträge. Diese sind in Form von persönlichen „Briefen“ gehalten, die zeigen, wie besonders die Freundschaften für beide Seiten sind.

Pascal Schotten findet in seinem Buch klare Worte – und  der Lesende versteht, wie es in seiner Gedankenwelt aussieht. Deutlich formuliert er, dass „Bevormundung nervt“, denn er ist fit und kann selbst entscheiden, was er will und was gut für ihn ist. Daher sehnt er auch den Umzug im Frühjahr 2024 aus seiner bisherigen Wohnform in das Gemeindediakonie-Wohnprojekt „Luise“ herbei , denn dort wird er trotz seines hohen Unterstützungsbedarfs selbstständig in einer dreiköpfigen Wohngemeinschaft leben können; der nächste große Schritt für ihn, der ihn weiter wachsen lassen wird.

Vom eigenen Buchprojekt dagegen wussten nur wenige in Pascals Umfeld. Umso größer war daher die Überraschung und die Begeisterung im Tagesförderzentrum und bei seinen Freunden. Die Erstauflage von 50 Stück ist längst vergriffen, und bislang  sind schon mehr als 130 Stück verkauft worden. Pascals Freude über diese Resonanz ist groß, denn er hätte nicht gedacht, dass „so viele mein Buch lesen“. Ein Ende dessen ist auch noch nicht in Sicht, denn  erst vor kurzem wurde Pascal sowohl vom Mannheimer Morgen als auch von der Rhein-Neckar-Zeitung zu seiner Biografie interviewt. Entstanden sind dabei tolle Gespräche, die sicherlich noch mehr Menschen dazu  animieren werden, Pascals Buch zu kaufen; Menschen, die sonst wohl nicht mit der Lebenswirklichkeit von Menschen mit Behinderung in Berührung kommen. Wieder ein Stück Aufklärung, und das auf eine so charmante und positive Art und Weise!*

Und der Entdeckerdrang von Pascal reißt nicht ab: Bald soll auch noch ein Filmprojekt zu seinem Buch folgen – man darf also gespannt sein! Wir sind sicher, dass Pascal noch nicht alle Wünsche auf seiner Liste abgearbeitet hat und freuen uns, ihn auf diesem Weg weiterhin begleiten zu dürfen!

 

*Hier die lesenswerten Artikel im MM und in der RNZ (zum Teil kostenpflichtig):

https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-mannheimer-waldhof-fan-ich-will-den-menschen-zeigen-wie-ich-wirklich-lebe-_arid,2115884.html

https://www.rnz.de/region/metropolregion-mannheim_artikel,-Mannheim-Pascal-Schotten-kam-mit-spastischer-Laehmung-zur-Welt-_arid,1164965.html